Kann der Arbeitgeber AU ab dem ersten Tag verlangen?

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Arbeitgeber haben das Recht, von ihren Angestellten bereits ab dem ersten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zu verlangen, auch wenn gesetzlich erst ab dem vierten Tag ein Attest erforderlich ist. Dieses Recht dient dazu, potenziellem Missbrauch vorzubeugen und die Transparenz bei kurzfristigen Ausfällen zu gewährleisten.

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Krankschreibung ab Tag eins: Darf der Arbeitgeber das verlangen?

Die Frage, ob ein Arbeitgeber bereits ab dem ersten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) verlangen darf, ist komplex und wird oft falsch interpretiert. Die gesetzliche Regelung schreibt zwar erst ab dem vierten Krankheitstag ein ärztliches Attest vor (§ 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz – EntgFG). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber vor dem vierten Tag keinerlei Nachweis verlangen kann. Im Gegenteil: Er hat ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Arbeitsunfähigkeit, und dieses Interesse rechtfertigt in vielen Fällen die frühzeitige Vorlage einer AU.

Das Recht des Arbeitgebers auf frühzeitige Information:

Das Recht des Arbeitgebers gründet sich auf seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern und dem betrieblichen Ablauf. Ein plötzlicher Ausfall eines Mitarbeiters kann erhebliche Auswirkungen auf die Organisation und die Produktivität haben. Der Arbeitgeber benötigt daher Informationen, um die Situation einzuschätzen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs zu ergreifen. Dies kann beispielsweise die Umverteilung von Aufgaben oder die kurzfristige Einstellung von Aushilfen beinhalten.

Eine frühzeitige Information durch eine AU dient somit nicht nur dem Schutz des Unternehmens, sondern auch dem Schutz des erkrankten Mitarbeiters. Denn die Klärung der Arbeitsunfähigkeit ermöglicht eine schnellere und zielgerichtete Behandlung und verhindert potenzielle Komplikationen.

Die Grenze des Arbeitgeberrechts:

Obwohl der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einer frühzeitigen Information hat, ist sein Recht nicht unbegrenzt. Er darf den Mitarbeiter nicht unter Druck setzen oder ihn zu einer unzumutbaren Belastung zwingen. Die Anforderung einer AU sollte verhältnismäßig und im Einklang mit den Umständen stehen. Eine pauschale Anforderung einer AU ab dem ersten Tag für alle Mitarbeiter und jeden Krankheitsfall ist daher nicht automatisch rechtmäßig.

Praktische Überlegungen und gute Praxis:

Eine klare und transparente Regelung im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung kann Missverständnisse vermeiden. Diese Regelung sollte die Vorgehensweise bei Krankmeldungen detailliert beschreiben und den Umgang mit kurzfristigen Ausfällen regeln. Eine solche Regelung sollte auch die Art und Weise der Krankmeldung (z.B. telefonisch, schriftlich, per E-Mail) festlegen.

In der Praxis empfiehlt sich ein differenzierter Ansatz. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme des Mitarbeiters mit dem Arbeitgeber ist im Interesse beider Seiten. Eine kurze telefonische Meldung am ersten Krankheitstag gefolgt von der Vorlage eines Attests ab dem vierten Tag stellt oft einen guten Kompromiss dar. Eine zu rigide und formalistische Handhabung des Themas kann das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer belasten.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Arbeitgeber darf zwar nicht gesetzlich eine AU ab dem ersten Tag verlangen, er hat aber ein berechtigtes Interesse an einer frühzeitigen Information über die Arbeitsunfähigkeit seiner Mitarbeiter. Eine verhältnismäßige Regelung, die das berechtigte Interesse des Arbeitgebers mit den Rechten des Arbeitnehmers in Einklang bringt, ist daher notwendig. Ein offener und konstruktiver Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist entscheidend, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.