Wann kann eine AU wertlos sein?

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Ärztliche AU-Bescheinigungen verlieren ihren Beweiswert, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Erkrankung aufwerfen. Tatsächliche Umstände sind entscheidend, nicht bloße Vermutungen. Das Bundesarbeitsgericht legt den Fokus auf den Nachweis konkreter, widerlegbarer Fakten.
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Wann wird eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) wertlos? – Der Beweiswert im Detail

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), auch bekannt als “gelber Schein”, ist ein wichtiges Dokument im Krankheitsfall. Sie bestätigt die Arbeitsunfähigkeit und berechtigt den Arbeitnehmer zum Bezug von Krankengeld. Doch wann verliert diese Bescheinigung ihren Beweiswert und wird faktisch wertlos? Die Antwort ist komplexer, als man zunächst vermuten könnte, denn es geht nicht um bloße Vermutungen, sondern um den Nachweis konkreter Tatsachen.

Der Beweiswert einer AU hängt maßgeblich von der Glaubwürdigkeit der dargestellten Erkrankung ab. Ein Arzt stellt eine Diagnose auf Basis seiner Untersuchung und des ihm mitgeteilten Krankheitsverlaufs. Die AU dient in erster Linie als Bestätigung dieser Diagnose und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit. Ihr Beweiswert ist jedoch nicht absolut und kann unter bestimmten Umständen angezweifelt werden.

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Erkrankung:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) betont die Bedeutung konkreter, widerlegbarer Fakten. Vermutungen oder allgemeine Zweifel reichen nicht aus, um den Beweiswert einer AU zu entkräften. Konkrete Anhaltspunkte können beispielsweise sein:

  • Widersprüchliche Angaben des Arbeitnehmers: Unterschiedliche Angaben zum Krankheitsverlauf gegenüber dem Arzt und dem Arbeitgeber oder anderen Personen können Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben und somit an der Diagnose aufwerfen.
  • Unplausible Angaben zum Krankheitsverlauf: Ein ungewöhnlicher oder unrealistischer Krankheitsverlauf, der nicht mit der Diagnose übereinstimmt, kann den Verdacht auf eine Simulation begründen.
  • Verhalten des Arbeitnehmers: Ein auffälliges Verhalten des Arbeitnehmers, beispielsweise die Ausübung von Aktivitäten, die mit der diagnostizierten Arbeitsunfähigkeit unvereinbar sind (z.B. sportliche Aktivitäten bei angeblicher Rückenverletzung), kann den Beweiswert der AU schmälern. Dies muss jedoch dokumentiert und nachgewiesen werden. Schlichte Beobachtungen reichen nicht.
  • Manipulation der AU: Eine gefälschte oder manipulierte AU verliert selbstverständlich ihren Beweiswert vollständig.
  • Fehlende Dokumentation durch den Arzt: Eine unzureichende ärztliche Dokumentation, die die Diagnose und die Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend belegt, kann den Beweiswert der AU schwächen.

Die Rolle des Arbeitgebers:

Arbeitgeber haben das Recht, die AU zu prüfen und im Zweifel Nachweise für die Arbeitsunfähigkeit zu verlangen. Dies beinhaltet jedoch nicht die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zu überwachen oder in seine Privatsphäre einzugreifen. Die Beweispflicht liegt beim Arbeitnehmer. Jedoch darf der Arbeitgeber auch auf eigene Erkenntnisse zurückgreifen, solange diese auf konkreten Fakten basieren und nicht auf bloßen Verdächtigungen.

Fazit:

Eine AU verliert ihren Beweiswert nicht leichtfertig. Es bedarf konkreter, nachprüfbarer Anhaltspunkte, die begründete Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose und der Arbeitsunfähigkeit aufwerfen. Bloße Vermutungen oder ein schlechtes Bauchgefühl des Arbeitgebers reichen nicht aus. Das BAG betont die Notwendigkeit von objektiven und widerlegbaren Fakten. Im Zweifelsfall sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Dialog suchen und gegebenenfalls eine zweite ärztliche Meinung einholen. Ein gerichtliches Verfahren ist meist der letzte Ausweg und sollte nur bei eindeutigen und stichhaltigen Beweisen angestrebt werden.