Warum verdunstet Wasser bei 100 Grad?

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Wasser siedet bei 100 °C unter Normaldruck, da hier die Energie der Wassermoleküle ausreicht, um die Anziehungskräfte zu überwinden und in die Gasphase überzugehen. Änderungen des Umgebungsdrucks beeinflussen diesen Siedepunkt – in größeren Höhen siedet Wasser bereits bei niedrigeren Temperaturen.

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Warum verdunstet Wasser bei 100 Grad Celsius? – Ein tieferer Blick in die Molekularphysik

Die Aussage „Wasser verdunstet bei 100 Grad Celsius“ ist zwar im Alltag gängig, aber vereinfacht die komplexen Vorgänge auf molekularer Ebene. Richtiger wäre es zu sagen: Wasser siedt bei 100 Grad Celsius unter Normaldruck. Verdunsten hingegen ist ein Prozess, der bereits bei deutlich niedrigeren Temperaturen stattfindet. Doch warum findet dieser Siedevorgang gerade bei 100°C statt?

Der Schlüssel liegt in der Wechselwirkung der Wassermoleküle (H₂O) untereinander. Wassermoleküle sind polar, d.h. sie besitzen eine positive und eine negative Seite aufgrund der unterschiedlichen Elektronegativität von Sauerstoff und Wasserstoff. Diese Polarität führt zu starken Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Molekülen. Diese Bindungen halten die Wassermoleküle eng zusammen und verleihen Wasser seine besonderen Eigenschaften wie hohe Oberflächenspannung und spezifische Wärmekapazität.

Um Wasser zum Sieden zu bringen, muss man den Wassermolekülen genügend Energie zuführen, um diese Wasserstoffbrückenbindungen zu überwinden. Diese Energie wird in Form von Wärme zugeführt. Bei 100°C unter Normaldruck (1 Atmosphäre) hat jedes Wassermolekül im Durchschnitt genug kinetische Energie, um die Bindungen zu seinen Nachbarn zu brechen und in den gasförmigen Zustand überzugehen – Dampf. Es entsteht eine dynamische Gleichgewichtssituation, in der ständig Moleküle die Flüssigkeit verlassen (Verdampfung) und andere wieder zurückkehren (Kondensation). Sobald die Verdampfungsrate die Kondensationsrate übersteigt, beginnt das Wasser zu sieden.

Es ist wichtig zu betonen, dass 100°C nur der Siedepunkt unter Normaldruck ist. Ändert sich der Druck, ändert sich auch der Siedepunkt. In größeren Höhen, wo der Luftdruck geringer ist, sinkt der Siedepunkt von Wasser. Auf hohen Bergen siedet Wasser bereits bei deutlich unter 100°C. Umgekehrt steigt der Siedepunkt unter erhöhtem Druck. Dies wird beispielsweise in Druckkochern ausgenutzt, um Lebensmittel schneller zu garen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Siedepunkt von Wasser bei 100°C unter Normaldruck ein Ergebnis des Gleichgewichts zwischen der zugeführten Wärmeenergie und der Stärke der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wassermolekülen ist. Dieser Siedepunkt ist keine absolute Konstante, sondern abhängig vom herrschenden Druck. Der Begriff „Verdunsten“ hingegen beschreibt den kontinuierlichen Übergang von Wassermolekülen in die Gasphase, der bereits bei Temperaturen weit unter 100°C stattfindet, jedoch deutlich langsamer als beim Sieden.