Auf welcher Seite geht die Sonne auf?

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Der alte Merksatz geleitet uns: Im Osten beginnt der Tag mit der Sonne, die ihren höchsten Stand im Süden erreicht und schließlich im Westen verschwindet. Dabei tanzt die Sonne selbst nicht; es ist die Erde, die sich dreht und uns diese Illusion eines Sonnenlaufs beschert. Der Norden bleibt im Gegenzug unbesonnt.

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Wo geht die Sonne auf? Eine Reise durch Himmelsrichtungen und Erdrotation

Die Frage, wo die Sonne aufgeht, scheint auf den ersten Blick banal. Jeder kennt doch die alte Weisheit: “Im Osten geht die Sonne auf, im Süden steht sie hoch, im Westen wird sie untergeh’n, im Norden nie zu seh’n.” Doch hinter dieser einfachen Merkhilfe verbirgt sich ein faszinierendes Zusammenspiel von Erdrotation, Himmelsmechanik und unserer ganz persönlichen Perspektive.

Ja, in den meisten Fällen und für die meisten Menschen stimmt es: Die Sonne erscheint am östlichen Horizont, klettert im Laufe des Tages höher, erreicht ihren Höchststand im Süden und verschwindet schließlich im Westen. Doch diese Aussage ist nicht in Stein gemeißelt und bedarf einer genaueren Betrachtung.

Die Basis: Die Erdrotation

Das Fundament unseres Verständnisses ist die Erdrotation. Die Erde dreht sich um ihre eigene Achse, in etwa 24 Stunden einmal komplett. Diese Drehung ist es, die uns die Illusion eines wandernden Sterns am Himmel vorgaukelt. In Wahrheit sind wir es, die uns unter der Sonne hindurchdrehen. Die Himmelsrichtung, in der wir die Sonne zum ersten Mal am Horizont erblicken, ist definitionsgemäß Osten.

Die Ausnahme von der Regel: Polarnacht und Polartag

Wer sich jedoch in den Polarregionen aufhält, wird feststellen, dass die Sonnenaufgangs- und -untergangs-Realität deutlich komplexer ist. Während der Polarnacht, die sich über Wochen oder sogar Monate erstrecken kann, geht die Sonne überhaupt nicht auf. Der Himmel bleibt in Dämmerung getaucht oder hüllt sich in tiefste Finsternis. Umgekehrt erleben die Bewohner der Polarregionen während des Polartages, dass die Sonne für 24 Stunden oder länger über dem Horizont verweilt und sich in einem Kreis bewegt, ohne jemals unterzugehen.

Die Jahreszeiten und der Sonnenlauf

Auch außerhalb der Polarregionen ist die Himmelsrichtung, in der die Sonne aufgeht, nicht konstant. Im Laufe eines Jahres verschiebt sich der Sonnenaufgangspunkt entlang des Horizonts. Im Sommer geht die Sonne weiter nördlich im Osten auf und unter, während sie im Winter weiter südlich im Osten aufgeht und untergeht. Dies ist eine Folge der Neigung der Erdachse relativ zur Umlaufbahn um die Sonne. Diese Neigung von etwa 23,5 Grad ist auch für die Entstehung der Jahreszeiten verantwortlich.

Der Süden: Mehr als nur ein Meridian

Die Aussage, dass die Sonne im Süden ihren höchsten Stand erreicht, stimmt ebenfalls nicht immer. Sie bezieht sich auf die Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel steht die Sonne zur Mittagszeit im Norden. Am Äquator hingegen erreicht die Sonne zweimal im Jahr, zu den Tagundnachtgleichen, ihren Zenit direkt über uns.

Fazit: Eine Frage der Perspektive

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, wo die Sonne aufgeht, keine einfache Antwort hat. Sie hängt von unserem geografischen Standort, der Jahreszeit und letztendlich von unserer Perspektive ab. Die alte Merkhilfe dient als guter Ausgangspunkt, aber ein tieferes Verständnis der Himmelsmechanik und der Erdrotation offenbart die faszinierende Komplexität des Sonnenlaufs und die Schönheit unseres dynamischen Universums. Anstatt uns blindlings auf vermeintliche Gewissheiten zu verlassen, sollten wir uns die Zeit nehmen, den Himmel zu beobachten und die subtilen Veränderungen im Lauf der Sonne selbst zu erleben. Nur so können wir die wahre Magie der Himmelsmechanik begreifen.