Warum geht der Schmerz nicht weg?

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Chronische Schmerzen können auf Nervenfehlfunktionen zurückzuführen sein, die zu einer Überempfindlichkeit der Nervenzellen führen. Herkömmliche Schmerzmittel sind oft wirkungslos. Allerdings können nicht-medikamentöse Therapien und spezifische Medikamente zur Behandlung chronischer Schmerzen eingesetzt werden.

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Warum geht der Schmerz nicht weg? Ein Einblick in chronische Schmerzen

Chronische Schmerzen, definiert als Schmerzen, die länger als drei Monate andauern, stellen eine immense Herausforderung für Betroffene und das Gesundheitssystem dar. Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, die eine Verletzung signalisieren und nach deren Heilung abklingen, persistiert chronischer Schmerz, oft unabhängig von einer nachweisbaren körperlichen Ursache. Das Gefühl, im Dauerzustand gefangen zu sein, beeinflusst massiv die Lebensqualität, führt zu Isolation, Depressionen und beeinträchtigt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.

Die einfache Erklärung „der Schmerz geht nicht weg“, verbirgt eine komplexe Realität. Denn der Körper sendet keine eindeutige Fehlermeldung mehr. Stattdessen handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die die Schmerzverarbeitung im Nervensystem nachhaltig verändern:

1. Nervenfehlfunktionen und Neuroplastizität: Chronische Schmerzen können zu Veränderungen in der Struktur und Funktion des Nervensystems führen, einem Phänomen, das als Neuroplastizität bezeichnet wird. Nervenzellen werden hypersensibel, reagieren auf schwächste Reize mit starken Schmerzsignalen. Die Nervenbahnen, die Schmerzsignale zum Gehirn leiten, können verstärkt werden, wodurch selbst harmlose Reize als schmerzhaft empfunden werden. Man spricht von einer „Zentralisation“ des Schmerzes – der Schmerz wird unabhängig vom ursprünglichen Auslöser empfunden.

2. Fehlregulation des Schmerzsystems: Das Schmerzsystem ist ein komplexes Netzwerk, das nicht nur Schmerzsignale empfängt, sondern sie auch moduliert und verarbeitet. Bei chronischen Schmerzen ist dieses System gestört. Die Hemmung von Schmerzsignalen funktioniert nicht mehr optimal, während die Verstärkung von Schmerzsignalen übermäßig aktiv ist. Dies führt dazu, dass Schmerzen verstärkt und verlängert werden.

3. Psychologische Faktoren: Stress, Angst, Depressionen und traumatische Erlebnisse können chronische Schmerzen verstärken oder sogar auslösen. Diese Faktoren beeinflussen die Schmerzempfindung und die Verarbeitung von Schmerzsignalen im Gehirn. Ein Teufelskreis entsteht: Schmerz führt zu Stress, Stress verstärkt den Schmerz.

4. Entzündungen: Auch wenn keine akute Verletzung vorliegt, können chronische Entzündungen im Körper einen Beitrag zu anhaltenden Schmerzen leisten. Diese Entzündungen können in verschiedenen Geweben auftreten, wie z.B. in Muskeln, Gelenken oder Nerven.

Warum sind herkömmliche Schmerzmittel oft wirkungslos?

Herkömmliche Schmerzmittel, wie z.B. nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder Opioide, greifen meist an den Symptomen an, nicht an den Ursachen. Bei chronischen Schmerzen, die durch Nervenfehlfunktionen und eine veränderte Schmerzverarbeitung verursacht werden, sind diese Medikamente oft nur begrenzt wirksam und können zudem mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein.

Was kann man tun?

Die Behandlung chronischer Schmerzen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Therapieformen kombiniert:

  • Medikamentöse Therapie: Neben NSAR und Opioiden (mit Vorsicht und unter strenger ärztlicher Aufsicht) können Antidepressiva, Antiepileptika und andere Medikamente eingesetzt werden, die auf die Nervenfunktion und die Schmerzverarbeitung wirken.

  • Nicht-medikamentöse Therapien: Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie (z.B. kognitive Verhaltenstherapie), Achtsamkeitsübungen und Entspannungstechniken (z.B. Yoga, Tai Chi) können helfen, mit dem Schmerz umzugehen, die Beweglichkeit zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern.

  • Interdisziplinäre Schmerztherapie: Ein multidisziplinäres Team aus Ärzten, Physiotherapeuten, Psychologen und anderen Spezialisten kann eine individuelle Therapie entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist.

Chronischer Schmerz ist eine komplexe Erkrankung, die eine intensive und langfristige Behandlung erfordert. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der frühzeitigen Diagnose, einer umfassenden Anamnese und einer auf den individuellen Patienten abgestimmten Therapie. Wichtig ist, sich nicht aufzugeben und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu erkunden, um die Lebensqualität trotz anhaltender Schmerzen so gut wie möglich zu erhalten.