Welche Lebewesen können ohne Sauerstoff leben?

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Der Lachsparasit Henneguya zschokkei verblüfft die Wissenschaft: Als erstes bekanntes Tier verzichtet er vollständig auf Sauerstoff und mitochondriale Atmung. Diese evolutionäre Anpassung ermöglicht ihm ein Leben im sauerstoffarmen Muskelgewebe des Lachses.

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Anaerobe Überlebenskünstler: Leben ohne Sauerstoff – der Fall Henneguya zschokkei

Die Vorstellung, dass ein Tier vollständig ohne Sauerstoff existieren kann, erscheint auf den ersten Blick absurd. Jahrtausendelang galt die Zellatmung mit Sauerstoff als unabdingbare Voraussetzung für tierisches Leben. Doch die Entdeckung des Lachsparasiten Henneguya zschokkei hat diese Annahme grundlegend in Frage gestellt. Dieser winzige, nur wenige Zellen umfassende Organismus ist das erste bekannte Tier, das komplett auf Sauerstoff und die damit verbundene mitochondriale Atmung verzichtet. Diese außergewöhnliche Anpassung wirft faszinierende Fragen zur Evolution und den fundamentalen Grenzen des Lebens auf.

Die meisten Lebewesen nutzen Sauerstoff zur Energiegewinnung. In einem komplexen Prozess, der Zellatmung, wird in den Mitochondrien – den Kraftwerken der Zelle – aus Nährstoffen und Sauerstoff Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) gewonnen. Henneguya zschokkei, ein Myxosporen-Parasit, umgeht diesen Prozess vollständig. Seine evolutionäre Strategie ist ein bemerkenswertes Beispiel für konvergente Evolution, vergleichbar mit anaeroben Bakterien und anderen einzelligen Organismen. Im Laufe der Evolution hat er seine Mitochondrien, die einst zur Energiegewinnung dienten, stark reduziert und ihre Funktion verloren. Stattdessen hat er einen alternativen, noch nicht vollständig verstandenen Mechanismus zur Energiegewinnung entwickelt. Die Wissenschaftler vermuten, dass er Nährstoffe direkt aus der Umgebung seines Wirtes, dem Lachs, aufnimmt und dabei auf komplexe biochemische Prozesse verzichtet.

Das anaerobe Leben von Henneguya zschokkei ist nicht nur eine Kuriosität der Natur, sondern auch von wissenschaftlicher Bedeutung. Seine Existenz deutet darauf hin, dass die Evolution vielfältigere und anpassungsfähigere Strategien zur Energiegewinnung hervorgebracht hat, als bisher angenommen. Die Erforschung dieses Parasiten könnte neue Erkenntnisse über die grundlegenden Mechanismen des Lebens liefern und unser Verständnis von Evolution und Anpassungsfähigkeit erweitern. Die Analyse seines Genoms könnte zukünftig neue Einblicke in die Entwicklung der Atmungskette und die Möglichkeiten einer vollständigen Abkehr von der sauerstoffabhängigen Energiegewinnung liefern.

Natürlich existieren auch andere Lebewesen, die ohne Sauerstoff auskommen können, allerdings handelt es sich dabei meist um einzellige Organismen wie bestimmte Archaeen und Bakterien. Diese nutzen verschiedene anaerobe Stoffwechselwege, um Energie zu gewinnen, wie zum Beispiel die Gärung. Henneguya zschokkei unterscheidet sich fundamental von diesen, da er ein vielzelliges Tier ist und einen extrem reduzierten, fast nicht mehr vorhandenen, mitochondrialen Apparat besitzt. Seine Entdeckung zeigt, wie vielschichtig und unerwartet die Anpassungsfähigkeit des Lebens sein kann und eröffnet neue Forschungsfelder in der Biologie und der Evolutionstheorie. Die faszinierende Geschichte von Henneguya zschokkei verdeutlicht, dass das Leben selbst dort gedeihen kann, wo wir es uns am wenigsten vorstellen können.

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