Kann etwas ohne Sauerstoff überleben?

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Tief im Lachsmuskel, fernab der sauerstoffreichen Welt, trotzt ein winziges Lebewesen den Regeln der Biologie. Henneguya salminicola, ein Parasit von kaum mehr als zehn Zellen, beweist, dass Leben auch ohne Sauerstoff möglich ist. Diese bahnbrechende Entdeckung stellt unser Verständnis von tierischem Überleben in Frage und öffnet faszinierende Fenster in unbekannte ökologische Nischen.

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Leben ohne Luft: Die atemlose Existenz von Henneguya salminicola

Die Vorstellung von Leben ohne Sauerstoff – Atemlosigkeit im wahrsten Sinne des Wortes – erscheint uns Menschen, als obligate Aerobier, schlichtweg undenkbar. Jahrzehntelang galt die Zellatmung mit Sauerstoff als unabdingbare Voraussetzung für komplexes tierisches Leben. Doch die Entdeckung des Myxozoen-Parasiten Henneguya salminicola hat diese Annahme radikal in Frage gestellt. Dieser winzige Organismus, kaum größer als ein Zellhaufen, thront als lebende Widerlegung etablierter biologischer Dogmen im Lachsmuskel.

H. salminicola, ein Verwandter von Quallen und Korallen, besitzt eine bemerkenswert reduzierte Genomstruktur. Im Laufe seiner evolutionären Anpassung an das parasitäre Leben im sauerstoffarmen Lachsgewebe hat er nicht nur die Fähigkeit zur aeroben Atmung, also der Energiegewinnung mithilfe von Sauerstoff, verloren, sondern auch die dazugehörigen Gene. Dies ist ein beispielloser Fall innerhalb des Tierreichs. Die meisten anaeroben Organismen – also solche, die ohne Sauerstoff leben können – sind einzellige Mikroorganismen wie Bakterien oder Archaeen. Ein mehrzelliges Tier, das vollständig auf Sauerstoff verzichtet, war bis zur Entdeckung von H. salminicola unbekannt.

Die Energiegewinnung dieses außergewöhnlichen Parasiten erfolgt vermutlich durch einen Prozess, der als fermentative Atmung bezeichnet wird. Im Gegensatz zur aeroben Atmung, die deutlich effizienter ist, produziert die fermentative Atmung deutlich weniger Energie. Dieser geringere Energieertrag erklärt vermutlich auch die stark reduzierte Komplexität des Organismus. H. salminicola benötigt einfach weniger Energie, um seine minimalen Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten. Seine parasitäre Lebensweise, die ihm direkten Zugang zu den Nährstoffen seines Wirts gewährt, unterstützt diesen energiesparenden Lebensstil.

Die Entdeckung von H. salminicola ist nicht nur ein faszinierender Fall von evolutionärer Anpassung, sondern eröffnet auch neue Perspektiven in der Forschung. Sie wirft Fragen nach der fundamentalen Definition von Leben auf und deutet darauf hin, dass die biologischen Grenzen des Lebens weit flexibler sind, als wir bisher angenommen haben. Die weitere Erforschung dieses einzigartigen Organismus könnte zu einem besseren Verständnis der Evolution der Atmung und der Entwicklung von anaeroben Lebensformen beitragen. Zudem könnte sie potenziell neue Einblicke in die Entwicklung von Therapien gegen parasitäre Erkrankungen liefern. Die “atemlose” Existenz von H. salminicola ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich das Leben an die extremsten Bedingungen anpassen kann und erweitert unser Verständnis der biologischen Vielfalt um eine bemerkenswerte Facette.

#Anaerob #Leben #Sauerstoff