Was ist überkritischer Dampf?

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Jenseits des kritischen Punktes von Wasser (374 °C, 221,2 bar) verschwimmt die Grenze zwischen flüssiger und gasförmiger Phase. Die Dichteunterschiede verschwinden, ein homogenes, überkritisches Fluid entsteht. Unterhalb dieser Grenze bleibt der Dampf unterkritisch.

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Überkritisches Wasser: Ein Zustand zwischen den Welten

Wasser, das uns so vertraut ist, enthüllt jenseits seines kritischen Punktes eine faszinierende, ungewöhnliche Eigenschaft: Es wird zu überkritischem Wasser (auch überkritischer Dampf). Dieser Zustand, der weit über den Siedepunkt hinausgeht, vereint Eigenschaften von Flüssigkeiten und Gasen auf einzigartige Weise und eröffnet spannende Möglichkeiten in Wissenschaft und Technik.

Der kritische Punkt von Wasser liegt bei einer Temperatur von 374 °C und einem Druck von 221,2 bar. Unterhalb dieser Werte existiert eine klare Phasengrenze zwischen flüssigem Wasser und Wasserdampf. Erhitzt man Wasser jedoch über 374 °C und erhöht gleichzeitig den Druck auf über 221,2 bar, verschwimmt diese Grenze vollständig. Die charakteristischen Unterschiede in Dichte, Viskosität und Dielektrizitätskonstante zwischen flüssiger und gasförmiger Phase verschwinden. Das Ergebnis ist ein homogenes Fluid: überkritisches Wasser.

Eigenschaften von überkritischem Wasser:

Im überkritischen Zustand weist Wasser eine Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften auf, die es von sowohl flüssigem Wasser als auch von unterkritischem Dampf unterscheiden:

  • Hohe Diffusionsfähigkeit: Überkritisches Wasser besitzt eine deutlich höhere Diffusionsfähigkeit als flüssiges Wasser. Dies ermöglicht eine schnellere Durchdringung von Materialien und beschleunigt chemische Reaktionen.
  • Variable Dichte: Die Dichte von überkritischem Wasser kann durch Feinjustierung von Temperatur und Druck kontinuierlich eingestellt werden. Dies erlaubt eine präzise Kontrolle der Lösungsmitteleigenschaften.
  • Hohe Löslichkeit: Überkritisches Wasser kann sowohl polare als auch unpolare Substanzen lösen, was es zu einem vielseitigen Lösungsmittel macht. Im Gegensatz zu flüssigem Wasser löst es beispielsweise viele organische Verbindungen effizient.
  • Niedrige Oberflächenspannung: Die fehlende Phasengrenze resultiert in einer sehr niedrigen Oberflächenspannung.
  • Ähnlichkeit mit einem superkritischen Lösungsmittel: Ähnlich wie bei anderen superkritischen Lösungsmitteln wie Kohlendioxid (CO₂) kann die Löslichkeit in überkritischem Wasser durch Veränderung der thermodynamischen Parameter gesteuert werden.

Anwendungen von überkritischem Wasser:

Die einzigartigen Eigenschaften von überkritischem Wasser eröffnen ein breites Anwendungsspektrum:

  • Extraktion: Überkritisches Wasser wird in der Lebensmittelindustrie zur Extraktion von Aromastoffen, Ölen und Wirkstoffen aus pflanzlichem Material eingesetzt (z.B. Koffeinentfernung aus Kaffeebohnen). Die schonende Extraktion bei relativ niedrigen Temperaturen schützt die Qualität der Produkte.
  • Reinigung: Die hohe Löslichkeit und die geringe Oberflächenspannung machen überkritisches Wasser ideal zur Reinigung von Materialien, insbesondere in der Elektronikindustrie.
  • Chemische Reaktionen: Als Lösungsmittel und Reaktionsmedium in der chemischen Industrie, ermöglicht es neue und effizientere Syntheseverfahren.
  • Hydrothermale Oxidation: Überkritisches Wasser wird zur thermischen Behandlung von Abfällen eingesetzt, wobei organische Stoffe abgebaut werden.
  • Materialsynthese: Die Synthese neuer Materialien mit kontrollierten Eigenschaften wird durch die Einsatz von überkritischem Wasser ermöglicht.

Fazit:

Überkritisches Wasser ist ein faszinierendes Medium mit einzigartigen Eigenschaften, das weitreichende Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen bietet. Die gezielte Manipulation von Temperatur und Druck erlaubt eine präzise Steuerung der Eigenschaften und eröffnet somit neue Wege in der Forschung und Technologie. Die weitere Erforschung des überkritischen Zustands verspricht spannende Fortschritte in Zukunft.