Wo entstehen zuerst Metastasen?

8 Sicht

Metastasen breiten sich oft zuerst in Organen aus, die dem Ursprungstumor stromabwärts liegen. So wandern Zellen von Tumoren in Armen und Beinen häufig in Lunge oder Gehirn. Bei Darmkrebs ist die Leber oft das erste Ziel, da das Blut aus dem Darm zuerst dorthin fließt, bevor es ins Herz gelangt.

Kommentar 0 mag

Wo entstehen zuerst Metastasen? Ein Blick auf die Pfade der Krebsausbreitung

Die Bildung von Metastasen, also Tochtergeschwülsten, ist ein entscheidender Faktor für den Verlauf einer Krebserkrankung. Während der Ursprungstumor oft erfolgreich behandelt werden kann, sind es die Metastasen, die die Therapie erschweren und die Prognose verschlechtern. Eine zentrale Frage in der Krebsforschung ist daher: Wo entstehen Metastasen zuerst? Die Antwort ist komplex, aber es lassen sich Muster erkennen, die uns helfen, die Ausbreitung von Krebs besser zu verstehen.

Die Bedeutung der anatomischen Nähe und des Blutstroms

Wie die Krebszellen sich ausbreiten, hängt entscheidend von der Anatomie des Körpers und der Art und Weise ab, wie Blut und Lymphflüssigkeit durch den Körper zirkulieren, ab. Metastasen entstehen oft in Organen, die dem Primärtumor “stromabwärts” liegen, d.h. in Organen, die über das Blut- oder Lymphsystem direkt mit dem Tumor verbunden sind.

  • Der Einfluss des Blutstroms: Ein klassisches Beispiel ist der Darmkrebs. Das Blut, das aus dem Darm kommt, fließt zuerst durch die Pfortader zur Leber, bevor es in den allgemeinen Blutkreislauf gelangt. Aus diesem Grund ist die Leber häufig das erste Ziel für Metastasen bei Darmkrebs. Krebszellen, die sich vom Darmtumor lösen, gelangen so direkt in die Leber und können sich dort ansiedeln.
  • Lymphknoten als erste Barriere: Die Lymphknoten spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern und Tumorzellen. Sie fungieren oft als erste Barriere gegen die Ausbreitung von Krebs. Krebszellen können in die Lymphknoten eindringen, sich dort vermehren und so zu Lymphknotenmetastasen führen. Das Vorhandensein von Lymphknotenmetastasen ist oft ein Indikator für einen fortgeschrittenen Krankheitszustand.
  • Regionale Metastasen: Bei Tumoren in den Extremitäten, wie z.B. Sarkomen in Armen und Beinen, können die Krebszellen über das Blut in die Lunge gelangen, da das venöse Blut aus den Extremitäten schließlich in die Lunge fließt, um Sauerstoff aufzunehmen. Auch das Gehirn kann Ziel von Metastasen aus diesen Regionen sein, obwohl dies seltener vorkommt.

Mehr als nur anatomische Nähe: Die Rolle des “mikroenvironment”

Die anatomische Nähe ist jedoch nicht der einzige entscheidende Faktor. Warum metastasieren bestimmte Krebsarten bevorzugt in bestimmte Organe, obwohl andere Organe näher liegen? Die Antwort liegt im Zusammenspiel zwischen den Krebszellen und dem “Mikroenvironment” des Zielorgans.

  • Die “Seed and Soil” Hypothese: Diese Hypothese, die bereits im 19. Jahrhundert von Stephen Paget formuliert wurde, besagt, dass Krebszellen (“Seeds”) nur in einem “Boden” (“Soil”) wachsen können, der für sie geeignet ist. Das bedeutet, dass bestimmte Organe bestimmte Faktoren aufweisen (z.B. Wachstumsfaktoren, Moleküle, die die Anhaftung fördern, oder eine Unterdrückung des Immunsystems), die das Überleben und die Vermehrung von Krebszellen begünstigen.
  • Organotropismus: Der Begriff Organotropismus beschreibt die Tendenz bestimmter Krebsarten, bevorzugt in bestimmte Organe zu metastasieren. So metastasiert Brustkrebs häufig in Knochen, Lunge, Leber und Gehirn, während Prostatakrebs bevorzugt in die Knochen streut. Die molekularen Mechanismen, die diesem Organotropismus zugrunde liegen, werden intensiv erforscht.

Die Komplexität der Metastasenbildung

Die Entstehung von Metastasen ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Neben der anatomischen Nähe und dem Blutstrom spielen auch die Eigenschaften der Krebszellen selbst (z.B. ihre Fähigkeit, sich von anderen Zellen zu lösen und in das Blutgefäßsystem einzudringen) und die Reaktion des Immunsystems eine wichtige Rolle.

Fazit

Obwohl die anatomische Lage und der Blutstrom wichtige Determinanten für die erste Metastasierung sind, ist die Präferenz bestimmter Krebsarten für bestimmte Organe komplexer. Die “Seed and Soil” Hypothese verdeutlicht, dass das Zusammenspiel zwischen Krebszelle und dem Mikromilieu des Zielorgans entscheidend ist. Das Verständnis dieser Mechanismen ist essenziell, um neue Therapien zu entwickeln, die die Metastasierung verhindern oder verzögern können und somit die Überlebenschancen von Krebspatienten verbessern.