Was für eine Wortart ist genau?

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Nâhw im Gotischen ist ein interessantes Beispiel für ein Adverb. Es beschreibt die Art und Weise oder den Grad einer Handlung oder Eigenschaft. Nâhw bedeutet nahe und dient dazu, die Nähe in Bezug auf Ort, Zeit oder Qualität zu modifizieren. Es zeigt, wie das Gotische Adverbien nutzte, um präzise Bedeutungsnuancen zu erzeugen.

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Die vielseitige Natur von nâhw im Gotischen: Mehr als nur ein Adverb?

Das gotische Wort nâhw wird traditionell als Adverb klassifiziert, das “nahe” bedeutet und räumliche, zeitliche oder qualitative Nähe ausdrückt. Doch ein genauerer Blick auf seine Verwendung im gotischen Korpus offenbart eine nuanciertere und komplexere Wortartzugehörigkeit, die über die einfache adverbiale Funktion hinausgeht.

Während nâhw zweifellos adverbial verwendet wird, zeigt seine Flexion und syntaktische Funktion auch Parallelen zu Adjektiven und Präpositionen. Diese Vielseitigkeit macht nâhw zu einem besonders interessanten Fallbeispiel für die fließenden Grenzen zwischen Wortarten im Gotischen.

Adverbiale Funktion: In seiner klassischen adverbialen Funktion modifiziert nâhw Verben, Adjektive oder andere Adverbien. Beispiele hierfür sind:

  • räumliche Nähe: ƕas nâhw ist sa staþs (Wo ist dieser Ort nahe?)
  • zeitliche Nähe: is nâhw qam (Er kam nahe/bald)
  • qualitative Nähe: nâhw galeik (fast gleich)

Adjektivische Züge: Interessanterweise kann nâhw auch flektiert werden, ähnlich wie ein Adjektiv. So finden sich Formen wie nêhwis (Genitiv) oder nêhwiza (Instrumental), was auf eine adjektivische Deklination hindeutet. Diese Formen treten beispielsweise in Verbindung mit Substantiven auf und drücken eine enge Beziehung aus: nêhwis fram (nahe Verwandter).

Präpositionale Verwendung: Darüber hinaus zeigt nâhw in manchen Kontexten auch präpositionale Tendenzen. Es steht dann vor einem Dativ und drückt eine räumliche oder zeitliche Nähe aus: nâhw þamma staþa (nahe dem Ort). Diese Verwendung ähnelt der von Präpositionen.

Fazit: Die Klassifizierung von nâhw als reines Adverb greift zu kurz. Seine Fähigkeit, flektiert zu werden und präpositional verwendet zu werden, legt nahe, dass nâhw eine Art “hybride” Wortart darstellt, die Merkmale von Adverbien, Adjektiven und Präpositionen in sich vereint. Nâhw veranschaulicht damit die Flexibilität des Gotischen und die fließenden Übergänge zwischen den Wortarten, die ein Herausforderung für die moderne sprachwissenschaftliche Analyse darstellen. Die weitere Erforschung der Verwendung von nâhw im gotischen Korpus könnte wertvolle Erkenntnisse über die Entwicklung und den Gebrauch dieser Wortarten liefern.